Veröffentlicht auf der Italiens bekanntesten Wirtschaftszeitung IlSole24Ore am 18 März 2019
Kleine bis mittelgroße Unternehmen, die im Ausland nach neuen Absatzmärkten und vor allem
festen und langfristigen Handelsbeziehungen suchen, finden in Deutschland den richtigen
Ansprechpartner. Weshalb sind Deutsche in der allgemeinen Anschauung so schwer einzunehmen?
Antwort: Weil wir den Grund für ihre Steifheit nicht erkennen. Die Deutschen sind ein sehr
konservatives Volk und daher erprobten und bewährten Lösungen zugeneigt. Der deutsche
Ingenieur, mit dem eine italienische Firma normalerweise zu tun hat, liefert dafür das
Paradebeispiel. Elena Dal Maso von Kruman sas (www.kruman.it, info@kruman.it) hat in einem
demnächst erscheinenden Buch sämtliche Strategien versammelt, um auch den misstrauischsten
deutschen Ingenieur zu überzeugen, sich für das italienische Produkt zu entscheiden.
Das kleine bis mittlere italienische Unternehmen benötigt vor allem ein gut strukturiertes Projekt
zur Internationalisierung, das auf einer spezifischen Analyse der betreffenden Branche und der
geeignetsten Vertriebskanäle fußt. Diese Untersuchungsphase bereitet die Entwicklung einer für
den deutschen Markt geeigneten firmeneigenen Marke vor, die das vorstellt, was die Deutschen als
ihre Kultur anerkennen, also etwas Zuverlässiges und Glaubwürdiges. Nur so kann ein
konservativer Charakter wie der deutsche dazu gebracht werden, Vertrauen zu schenken und seinen
früheren Anbieter zugunsten des neuen italienischen Handelspartners zu wechseln, den er als
kreativen, intelligenten und flexiblen sowie zuverlässigen Partner zu schätzen lernt.
Der Fokus muss also von unserer Welt (Produkt, Firma, Wirtschaft, Politik etc.) abrücken, um den
Standpunkt des ausländischen Kunden einzunehmen, sich an seine Stelle zu denken, in seine
Realität einzufühlen und sich zu fragen, was er will, was ihn zum Kauf von einem italienischen
Unternehmen bewegt, welche Probleme er im Alltag hat, wie er lebt, was er sieht, von wem und
was er sich beeinflussen lässt, wen er schätzt, was er gerne tut, was für ihn Qualität ausmacht,
welchen Wert er der Zeit zumisst, wann er die Resultate seiner Investition sehen will, ob
Hierarchien für ihn wichtig sind, wie er den Raum wahrnimmt, ob er gerne riskiert oder ihm
ehrgeizige Investitionen liegen, was er von den Italienern hält, ob er ihnen gegenüber
voreingenommen ist, wie er seine Vorurteile überwindet und positive Vorurteile für eine bessere
Position bei den Handelsverhandlungen einsetzt.
Für diese Fragen sollte man eine Antwort finden, wenn man sein Geschäft globalisieren und dem
Unternehmen möglichst wenig Risiko zumuten möchte. Für jedes Zielland gelten natürlich andere
Antworten. Um die richtigen Infos auf gezielte und schnelle Art und Weise einzuholen, begleitet
Kruman sas (www.kruman.it) den Unternehmer und liefert ihm grundlegende, einfache und
praktische Instrumente, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Ein Beispiel soll helfen, diese Vorgehensweise besser zu verstehen: Nehmen wir ein italienisches
Unternehmen, das hochtechnologische, softwaregesteuerte Maschinen anbietet. Um in den
deutschen Markt zu expandieren, sollte die Firma wissen, dass die Deutschen ein sehr besorgtes
Volk sind, das sich gerne gegen alles Mögliche versichert, wie etwa die Kleidung von Kindern, die
beim Streiten im Kindergarten kaputtgehen könnte oder die Katze, die bei der Urlaubspflege in der
Nachbarwohnung die Möbel zerkratzen könnte. Weshalb versichern sie sich so viel? Weil jeder
Deutsche weiß, dass er für jeden Fehler und für die Rolle, die er darstellt, voll und ohne Abstriche
die Konsequenzen tragen muss. Schuld lässt sich nicht tilgen, niemals.
Je mehr daher die Maschine des italienischen Unternehmens den Ermessensspielraum des
Bedieners und damit die Möglichkeit von Fehlern einschränkt, desto stärker wird das sehr deutsche
Bedürfnis gestillt, sorglos zu sein und keine Angst haben zu müssen, für eine falsche Wahl an den
Pranger gestellt zu werden. Je mehr ich das Risiko und das Sorgenpotenzial beschränke, desto
appetitlicher wirkt das Produkt auf den deutschen Ansprechpartner. Ein Marketing für den
deutschsprachigen Raum muss mit Fakten! Daten! Zahlen! aufwarten, also umgehend mit präzisen
Informationen, genauen Berechnungen, Untersuchungsresultaten und Kontrolldaten und
glaubwürdigen Gewinnmargen zur Sache kommen, die die ökonomische Stabilität des Anbieters
garantieren, denn ein zu großes finanzielles Entgegenkommen seitens des Anbieters wäre nicht nur
unrealistisch, sondern würde das Angebot entwerten.
All dies ändert sich, wenn unser Ziel etwa die USA sein sollen. Die USA sind das Ergebnis eines
Unternehmens, das hätte schiefgehen können: Unsere Urahnen begaben sich damals auf die
Überfahrt, ohne zu wissen, ob sie jemals ankommen würden. Den Sinn fürs Risiko haben die USAmerikaner also im Blut, was sie dazu bringt, häufiger in ambitionierte Vorhaben und Produkte zu
investieren, um ein immer größeres persönliches Vermögen anzuhäufen. Jedes Jahr nimmt sich das
typische US-amerikanische Unternehmen ehrgeizigere Zielstellungen vor, auf deren Grundlage alle
Mitarbeiter beurteilt werden. Wie auch die große Politik zeigt, gefällt es dem US-Amerikaner, das
Steuer in der Hand zu haben, zu entscheiden, die Konkurrenz zu schlagen, um immer mehr zu
erwirtschaften. Ein italienisches Unternehmen mit hochtechnologischem Maschinenpark sollte
daher das Bedürfnis des US-amerikanischen Unternehmens erfüllen, am Markt zu siegen und das
Steuer in der Hand zu haben: Je mehr Optionen desto mehr Personalisierung und mehr
Ermessensspielraum stehen zur Auswahl.
So ist die Internationalisierung nicht nur eine Frage von Etikett, bei dem es darum geht, einen guten
Eindruck zu hinterlassen; in ihrem Zentrum steht das menschliche Wesen in allen seinen Facetten
und Ausformungen und aus dem Wissen dieser Komplexität muss sich die italienische Marke im
Ausland speisen. Sie muss berücksichtigen, dass die Bedürfnisse des deutschen nicht mit denen des
US-amerikanischen oder eines anderen Auslandsmarktes gleichzusetzen sind.